Der Bergmannskreuzweg im Elpetal

Ganz unscheinbar kommt er daher. Keine Wegweiser machen auf ihn aufmerksam. Heutzutage scheint er vergessen zu sein.
Er hat seine ursprüngliche Bedeutung verloren.

Für die, die ihn erschufen und nutzten, war er wahrscheinlich immens wichtig!
Er hatte für sie eine große Bedeutung.

Bergmannskreuzweg - Station XII
In Buchenstämme eingeritzt: Der Bergmannskreuzweg. Station XII des Bergmannskreuzwegs am 19.04.2003. Die Buche mit dieser Station fiel im Jahre 2009 einem Sturm zum Opfer. Hans Martin Köster erwirkte beim Eigentümer des Geländes, der Kirchengemeinde St. Petri Hüsten, dass er die eingeritzte Station für heimatkundliche Zwecke nutzen durfte. Er übergab sie dem Heimatmuseum „Alte Mühle“ in Gevelinghausen. Urheber/originator: Hans Martin Köster

Die Rede ist hier vom Bergmannskreuzweg im Elpetal, genauer gesagt am Hülsberg.

Er wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts, vermutlich um ca. 1890, geschaffen, von Menschen, die jeden Tag bei der Verrichtung ihrer Arbeit ihr Leben riskierten.
Sie hatten bei weitem weder den Arbeitsschutz, noch die soziale Absicherung, wie sie heute existieren.

Sie mussten ihre Familien ernähren, was schwierig war, weil sie wenig oder sogar gar kein Land besaßen. Dies befand sich in der Hand weniger Adeliger oder immer mehr auch vermögender Landwirte.

Viele wanderten in Industrieregionen ab, in denen Arbeit leichter zu finden war – leichter als in der Heimat war die Arbeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts jedoch auch dort nicht.
Deutschland hatte die industrielle Revolution der Nachbarländer wie England, Holland oder Belgien versäumt – diese wurde allerdings gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Erschließung reichhaltiger Steinkohlevorkommen im „Kohlenpott“ um so exzessiver nachgeholt – und dafür waren Arbeiter und Bergleute erforderlich.

Die Bergleute, die aufgrund von bescheidenem Besitz oder Heimatverbundenheit im Sauerland blieben, mussten sich häufig weiterhin unter Tage verdingen.
Sie nahmen dafür große Mühen auf sich – wie u.a. Arbeitswege von nicht selten über zwei Stunden.

Die Wege, die diese tapferen Männer gingen, sind größtenteils in Vergessenheit geraten.
Lediglich vereinzelte Relikte, wie zum Beispiel die Knappenbergstraße bzw. der Flurname „Knappenberg“ und der Hohlweg auf dem heutigen Vosspfad in Helmeringhausen – und nicht zuletzt der Bergmannskreuzweg am Hülsberg lassen auf diese Bedingungen schließen.

Die Schachtanlage Aurora, welche in den 1950er Jahren abgerissen wurde und von der heute lediglich das verplombte Mundloch auf dem Gelände des Freizeitparks „Fort Fun“ zeugt, war das Ziel vieler Bergknappen aus dem Umland, so auch aus den Tälern der Ruhr, der Elpe und der Neger.

Diejenigen, welche von Osten kamen (Wulmeringhausen, Assinghausen, Bruchhausen, etc.), kamen über den Bergrücken zwischen Wiedegge und Overlackersberg.
Diejenigen, welche von Nordosten kamen (Olsberg, Bigge und sogar Brilon), kamen über Helmeringhausen entlang der westlichen Flanke des Ohlenkopfes.
Die damaligen Wege sind mit etwas Kenntnis durchaus noch zu rekonstruieren und zu erkennen.

Vertrag zwischen dem Freiherrn von Wendt und der Aktiengesellschaft für Bergbau Ramsbeck von 1880
Erste Seite des Vertrags zwischen dem Freiherrn von Wendt und der Aktiengesellschaft für Bergbau Ramsbeck von 1880. Dieser Vertrag regelte unter anderem das Wegerecht der Bergleute. Urheber/originator: Hans Martin Köster

Die damaligen Bergknappen waren durchaus einfallsreich:
Auf dem Weg zur Arbeit wurde von einigen die ein oder andere Falle gestellt oder die ein oder andere feste Angel installiert, um mit etwas Glück auf dem Heimweg einen Hasen oder einen Fisch nach Hause bringen zu können – Not machte erfinderisch.
Diese Art der Wilderei war den Landbesitzern, vornehmlich dem Adel, ein Dorn im Auge, weshalb ein Vertrag mit der „Aktiengesellschaft für Bergbau Ramsbeck“ geschlossen wurde, welcher feste Wege, die sogenannten Bergmannspfade, vorschrieb und auf dessen Grundlage die Aktiengesellschaft bei Verstößen zur Rechenschaft gezogen werden konnte.
In dieser Urkunde von 1880 wurde den Bergleuten auch verboten, Bäume mit „Pickeln oder Stöcken“ zu beschädigen.
Vielleicht hatten sie bereits vorher Wegkennzeichnungen oder religiöse Symbole in Bäume geschnitzt.
Am Hang des Hülsberges, dem Gebiet der Aktiengesellschaft wurde es aber scheinbar tolleriert.

An der Elpe, am Fuße des Hülsberges, trafen sich nun morgentlich viele Bergknappen.
Sie mussten gemeinsam den letzten Berghang zur Arbeitsstätte hinaufgehen.
Dieser letzte Anstieg bescherte ihnen das letzte Tageslicht, dass sie Tag für Tag sehen sollten.
Sich der Sorge um ihr Leben und der Gefahr ihrer Arbeit bewusst, schnitten einige von ihnen 14 Kreuze in die damals ca. 100 Jahre alten Buchen, um für ihr Überleben und eine sichere Heimkehr zu beten.

Der Bergmannskreuzweg geriet für lange Zeit in Vergessenheit und war nur noch den Bergknappen bekannt, die ihn selbst gegangen waren und auf ihm gebetet haben.
Die bisher älteste bekannte schriftliche Erwähnung fand Hans Martin Köster im Artikel „Der Kreuzweg im Walde“ der Ausgabe Nr. 10 von 1951 von „Ruf der Heimat – Blätter des Sauerländer Heimatbundes“.

Hier sind alle Beiträge unserer Chronik im Zusammenhang mit dem Bergmannskreuzweg zu finden.

Die letzte Schicht im Eisenberg 1916
Dieses Bild zeigt die „letzte Schicht“ im Eisenberg 1916. Farblich hervorgehoben ist Bernhard Köster, der Ur-Großvater von Hans Martin Köster. Bernhard Köster war Stellmacher in den Gruben des Eisenbergs. Er wohnte im Steigerhaus, von dem heute nur noch die Fundamente (unterhalb des Philipp-Stollens) zu sehen sind. Seine Tochter Gertrud, die Großmutter von Hans Martin Köster, wurde im Steigerhaus geboren. Nach der Aufgabe des Eisenbergs war Bernhard Köster im Ramsbecker Bergbaugebiet tätig. Auch er ging regelmäßig auf seinem Weg zur Arbeit den Bergmannskreuzweg am Hülsberg zur Schachtanlage „Aurora“. Urheber/originator: Christoph Köster
Wiederentdeckung
Der Artikel „Der Kreuzweg im Walde.“ in „Ruf der Heimat – Blätter des Sauerländer Heimatbundes Nr. 10 1951“ machte Hans Martin Köster in den 1980er Jahren auf den Bergmannskreuzweg aufmerksam.

Seitdem besuchte und dokumentierte er ihn regelmäßig mindestens einmal im Jahr.

Sein Interesse dafür entsprang einerseits der Leidenschaft für den Olsberger und Sauerländer Bergbau, andererseits aber auch der Tatsache, dass sein Vorfahre, Bernhard Köster, diesen Kreuzweg als Bergknappe auf seinem Weg zur Arbeitsstätte oft begangen und gebetet hat.

Bernhard Köster, der Ur-Großvater von Hans Martin Köster, war bis zur Aufgabe deren Betriebs im Jahre 1916 in den Gruben des Briloner Eisenbergs als Stellmacher tätig. Er wohnte mit seiner Familie im Steigerhaus, dessen Fundamente unterhalb des Philipp-Stollens noch heute zu sehen sind. Seine Tochter und die Großmutter von Hans Martin Köster, Gertrud Köster, wurde im Steigerhaus am Eisenberg geboren.

Nach der Schließung der letzten Schachtanlage im Eisenberg aufgrund von Ineffizienz war er im Ramsbecker Bergbaugebiet tätig und fuhr täglich in die Grube Aurora, später, nach der Verbindung der Grube Pluto mit der Grube Aurora, auch in die Grube Pluto ein.

Der Bergmanns-Kreuzweg im Elpetal lag Hans Martin Köster also sowohl lokalgeschichtlich, als auch familiengeschichtlich sehr am Herzen.

Der Bergmannskreuzweg am Hülsberg

Die ehemalige Schachtanlage „Aurora“ bei Andreasberg

Please set Latitude and Longitude both to display a map.

Die ehemalige Schachtanlage „Juno“ bei Wiggeringhausen

Station I des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station II des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station III des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station IV des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station V des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station VI des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station ohne Nummer zwischen Station VI und Station VII des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station VII des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station VIII des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station IX (VIIII) des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station X des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station XI des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station XII des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station XIII des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Station XIV des Bergmannskreuzwegs am Hülsberg

Archiv-Karte
OpenStreetMap Viele Orte, die in unseren Beiträgen erwähnt werden, finden Sie auf unserer Archiv-Karte.

Vielleicht interessiert sie auch der folgende Beitrag aus unserem Archiv

Zufälliger Beitrag aus dem Privatarchiv

Der Borberg – Ein Einblick in seine Geheimnisse 1988

Der Borberg - Ein Einblick in seine Geheimnisse

Hans Martin Köster Hans Martin Köster produziert im Jahr 1988 den Dokumentationsfilm "Der Borberg - Ein Einblick in seine Geheimnisse". Von 1983 bis 1987 begleitete…


Impressum
Text: Christoph Köster
Medien: siehe Medienbeschriftungen

Lizenz
Für alle Inhalte und Medien des Urhebers Hans Martin Köster gilt (auch unabhängig von dieser Plattform) ausnahmslos das Urheberrecht der Bundesrepublik Deutschland, sofern keine expliziten schriftlichen Genehmigungen des Urhebers (z.B. Nutzungs-/Veröffentlichungs-/Verwertungserlaubnisse) vorliegen.

Alle anderen Inhalte dieses Beitrags inklusive aller dargestellten Medien (außer „Zufälliger Beitrag aus dem Privatarchiv“) sind unter CC BY-NC-ND 4.0 (Creative Commons NamensnennungNicht kommerziellKeine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz) lizensiert.

Creative Commons Lizenzvertrag

Bei der Verwendung des Beitrags, oder einzelner Bestandteile des Beitrags, müssen der jeweilige Urheber und der exakte Text „Privatarchiv Köster Olsberg – www.privatarchiv-koester.de“ in unmittelbarer Nähe des Zitats genannt werden.

Ausgenommen hiervon sind alle Inhalte und Medien dieses Beitrags, welche mit Alle Rechte vorbehalten oder All rights reserved gekennzeichnet sind. Für diese ist jegliche Verwendung, Verbreitung und Veröffentlichung untersagt.

Unsere Dienstleistungen und Angebote

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.