Am Donnerstag, dem 13. April 1961, befindet sich der Aussiedlerhof von Hubert Köster in der Flur „Auf den Bohlen“ in Gevelinghausen im Rohbau. Westlich neben dem noch unfertigen Stall soll eine Jauchegrube entstehen, welche bereits ausgeschachtet ist. An diesem Tag soll der Bau der Schalung für die Seitenwände durch die Firma Freisen fortgesetzt werden.
Während dieser Schalungsarbeiten stößt Bernhard Rösen, ein Mitarbeiter der Firma Freisen, auf einen Gegenstand aus Metall. Der Polier der Baustelle vermutet zunächst einen Gegenstand aus dem Zweiten Weltkrieg, möglichwerweise sogar einen Bomben-Blindgänger.
Der Bauherr, Hubert Köster, fragt den örtlichen Lehrer Brauckmann um Rat. Dieser erkennt sofort, dass es sich um einen historich wertvollen Gegenstand handelt und informiert umgehend Dr. Franz-Josef Kohle aus Nuttlar. Dr. Kohle wiederum informiert die Außenstelle Arnsberg des Westfälischen Landesmuseums für Vor- und Frühgeschichte in Münster telefonisch über den Fund.
Zwei Stunden später lässt Dr. Kohle der Baukolonne von Firma Freisen durch einen Jungen aus Gevelinghausen einen Kasten Bier als Finderlohn überbringen.
Die späteren Analysen des Westfälischen Landesmuseums für Vor- und Frühgeschichte in Münster ergeben, dass es sich um eine Bronzeamphore handelt, die zur Urne umgewidnet wurde; denn die Amphore enthält ein Leinensäckchen mit verbrannten menschlichen Knochen und zwei verzierte Knochenplättchen.
In den folgenden Jahrzehnten wird die Urne und deren Inhalt immer wieder mit neuesten Methoden analysiert, sodass man heute, im Jahr 2021, folgendes über diesen Fund sagen kann:
Informationen zur Amphore (Stand: Mai 2021):
- Material: Bronze
- Höhe: 37cm
- Durchmesser der Mitte: 38cm
- Durchmesser des Rands: 25cm
- Durchmesser des Fußes: 17cm
- Datierung der Niederlegung: 772-400 v. Chr. (C14-Datierung)
- Datierung der Herstellung: 9.-8. Jahrhundert v. Chr.
- Herstellungsregion: Norddeutschland oder Dänemark
Informationen zum Inhalt (Stand: Mai 2021):
- Leinensäckchen, darin
- Verbrannte Knochen eines ca. 20 bis 40 Jahre alten Mannes
- Zwei mit Kreisaugen verzierte Knochenplättchen als Grabbeigabe
Trotz umfangreicher technischer Analysen der Amphore und des Inhalts bleiben auch Jahrzehnte nach deren Fund sehr viele Fragen unbeantwortet:
- Der ursprüngliche Verwendungszweck der Amphore vor ihrer Nutzung als Urne ist nicht eindeutig zu bestimmen. War es ein Kult- oder ein Gebrauchsgegenstand? Für eine kultische Nutzung spricht die Abbildung mehrerer „Vogel-Sonnen-Barken“.
- Die für ein so aufwändig hergestelltes Gefäß ungewöhnliche Verwendung als Urne. Es ist momentan nicht zu erklären, warum ein für die damalige Zeit so wertvoller und aus heutiger Sicht seltener Gegenstand „vergraben“ und damit unbrauchbar gemacht wurde. Letzteres spricht zumindest dafür, dass die enthaltenen Gebeine die einer damals sehr bedeutenden Person gewesen sein müssen.
Die immer weiter entwickelten Analyse-Techniken und möglicherweise vergleichbare Funde können vielleicht zukünftig mehr Antworten geben.
Fundort der Bronzeamphore von Gevelinghausen
- Die Amphore von Gevelinghausen; Dokumentarfilm von Hans Martin Köster; 2001
- Bronzene Schönheit mit Migrationshintergrund – das archäologische Highlight Westfalens; Beitrag von Michael M. Rind in der Online-Ausstellung 100 Jahre 100 Funde (Stand: 23.05.2021)
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