Briloner Eisenberg – Die Drahtseilbahn am Eisenberg

Hans Martin Köster
Hans Martin Köster

Hans Martin Köster veröffentlicht mit dem Beitrag “Die Drahtseilbahn am Eisenberg” in der achten Ausgabe des Strunzerdaal, welche im November 1989 erscheint, den damaligen Stand seiner Recherchen und Erkenntnisse zur Drahtseilbahn am Briloner Eisenberg:

Mit dem Bau der Bergisch-Märkischen Eisenbahn in unserer Region, deren Teilstück von Bestwig nach Scherfede am 06.01.1873 eröffnet wurde, brach für die gesamte Bevölkerung, wie auch für die Industrie ein neues Zeitalter an.
Den stählernen Dampfrossen mußten nun die romantischen Postkutschen langsam weichen.
Der Post- bzw. Personenverkehr vollzog sich nun schneller und problemloser.
Auch für den Gütertransport war dies von ernormer Wichtigkeit, denn das Ruhrgebiet mit seiner Industrie von Weltrang war nun ein Stück näher gerückt.
Die heimische Industrie bezog nun ihre zur Produktion benötigten Rohstoffe per Waggon und verschickte ihre damit erzeugten Waren auf der Schiene ins In- und Ausland.
Auch für die Gewerke der Eisensteingrube “Briloner Eisenberg” war jetzt die Zeit gekommen, von dem uralten Transport des Roteisensteins auf Pferdewagen Abschied zu nehmen, um sich einer neuen, schnelleren Erzbeförderung zu bedienen.

Die Drahtseilbahn am Eisenberg - Seilbahn in Adorf
Über die Olsberger Drahtseilbahn existieren keine exakten Fotos. Die Bahn war analog der Seilbahn in Adorf gebaut, von der hier ein Ausschnitt zu sehen ist.

Man entschloß sich 1879, am Fuße des Eisenberges bis zum Bahnhof Olsberg eine Drahtseilbahn zu bauen.
Nachdem die Roteisensteinlagerstätte noch einmal gründlich nach Ergiebigkeit untersucht wurde, beschlossen nun die Gewerke den Bau dieser Transportanlage.
Ihr Repräsentant, Alexander Kisker aus Lippstatt, wurde mit der Planung bzw. Besorgung der Bauzeichnung der Herstellerfirma beauftragt.
Eine auf dem Gebiete der Förderanlagen spezialisierte Firma, Adolf Bleichert aus Leipzig, bekam den Auftrag zur Errichtung.
Kaum hatte das Oberbergamt in Bonn von diesem Vorhaben gehört, kamen auch schon die ersten Auflagen:
“Wir machen darauf aufmerksam, daß für den Betrieb dieser Vorrichtung eine Polizei-Verordnung durch uns zu erlassen sein wird, welche letztere, falls öffentliche
Wege von derselben berührt werden sollen, auch von der königlichen Regierung zu Arnsberg mitzuvollziehen sein wird.”
Ferner schickte das Oberbergamt Akten ähnlicher Transportanlagen, z.B. Bergwerk “Alte Dreisbach” bei Siegen und “Hohe Grethe” bei Hamm; zur Einsichtnahme.
Nachdem alle Probleme beseitigt waren, lagen von der Firma A. Bleichert aus Leipzig die ersten Baupläne vor.
Diese sind heute leider nicht mehr komplett.
Lediglich ein Längenprofil mit Situationsplan, sowie die Beschreibung und die allgemeine Betriebs-Instruktion liegen noch vor.

Diese Drahtseilbahn mit der Zeichnungsnummer 1302 kam somit zum Bau.
Die Bahn begann an der Sortier- und Eisenerzlagerstelle unweit des Mundlochs am Maxstollen.
Von dort führte sie in gerader Linie zum Philippstollen (nähe Steigerhaus), wo auch die Dampfmaschine für ihren Antrieb stand.
Hier änderte sich ihre Richtung in einem Winkel von 147 Grad und führte von hier in gerader Linie direkt zum Bahnhof Olsberg.
Vom obersten Eisenerzeinfüllort am Maxstollen bis zur Antriebsstation am Steigerhaus betrug die Länge der Seilbahn 390 Meter und die längste Strecke zum Bahnhof 2700 Meter.
Auf dieser Gesamtstrecke von 3090 Meter, standen 119 Unterstützungen in ca.25 Meter Entfernung.
Diese bestanden aus langen Rundhölzern mit 20cm Durchmesser und waren zwei Meter tief im Erdreich eingegraben und festgestampft.
Zwei eiserne Konsolen trugen das obere Kopfstück.
Die mittlere Höhe der Unterstützungen betrug, soweit die Bahn über fremdes Terrain ging, bis 6,25 Meter. Die nach unten hängenden Wagen erforderten vom Tragseil bis Unterkante Wagenkasten einen Raum von ca. 1,50 Meter, so daß bei Vollast noch eine Durchfahrthöhe von 4 bis 5 Meter verblieb.
So konnte der landwirtschaftliche Betrieb nicht gestört werden.

Die Drahtseilbahn am Eisenberg - Das Steigerhaus
Das Steigerhaus am Eisenberg, rechts das Haus vom heutigen “Schinkenwirt”

Die Anlage bestand aus zwei Laufbahnen, die parallel nebeneinander liefen.
Eine trug die vollen, die andere die leeren Wagen.
Sämtliche Wagen waren durch ein Drahtseil, das an beiden Enden einer Strecke über horizontale Scheiben geführt wurde und durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt wurde, miteinander verbunden und somit zum Kreislauf gezwungen.
Die Tragseile waren aus Längen von 50 Meter zusammengesetzt, deren Enden verstärkt, mit einem Gewinde versehen und an zwei dieser Enden mit einer Muffe verschraubt waren.
An den Enden der Tragseile hingen an Ketten befestigt, mit Sandsäcken gefüllte Kästen, zur Spannung der Seile.
Geführt wurden die Tragseile an den horizontalen Kopfstücken durch ausgekehlte Lager. Diese waren überall zwei Meter voneinander entfernt.
Das geschlossene Zugseil, mit einem Durchmesser von 16mm befand sich unter den Tragseilen, die an beiden Enden einer Strecke über horizontale Seilscheiben mit zwei Meter Durchmesser geführt wurden und auf der Strecke durch die Wagen getragen wurden.
An der Antriebsstation ging das Seil der längeren Strecke erst um den halben Umfang der zwei Meter großen Antriebsscheibe, dann um den halben Umfang einer Seilscheibe.
Das Zugseil der kürzeren Strecke ging einfach um den halben Umfang der betreffenden Antriebsscheibe.

Die Drahtseilbahn am Eisenberg - Karte
Die Linienfürung der Drahtseilbahn (Hans Martin Köster)

Ein Wagen bestand aus dem Oberteil, dem Gehänge, dem Kupplungsapparat und dem Kasten.
Das Oberteil trug in gleichen Abständen voneinander drei Zapfen, deren Achsen in einer Horizontalebene lagen.
Auf beiden Endzapfen saßen lose mit einer tiefen Kehle versehen, die Laufräder.
Zur Seite dieser beiden Laufräder lag das Oberteil, in dessen Mitte das Gehänge hing.
Die Schenkel des Gehänges endeten in einem offenen Haken.
Der ganz aus Eisen hergestellte Wagenkasten trug an jeder Stirnwand einen Schildzapfen und hing an demselben in den den beiden erwähnten Haken.
Die Lage der beiden Zapfen fiel ungefähr mit der Schwerpunktlage des gefüllten Kastens zusammen, so daß sich derselbe ohne große Kraftanstrengung vollständig kippen ließ.
Damit ein Umkippen nicht während der Fahrt geschah, war an der oberen Kante einer Stirnwand eine Falle angebracht, die einen Schenkel des Kastens umfaßte.
So war ein Umkippen ohne Lösung der Falle unmöglich.

Der Kupplungsapparat trug eine kleine, auf einem Zapfen lose laufende ausgekehlte Seilrolle, welche hinter den Laufrädern des Wagens in der Vertikalebene lag.
Über der Rolle befand sich ein um einen Zapfen drehbares Gehäuse mit zwei Bolzen, von denen der eine sich in der Richtung seiner Lage verschieben konnte und durch eine Schraubenfeder beständig wieder gepreßt wurde.
Die anderen aus dem Gehäuse hervorstehenden Enden der beiden Bolzen waren gegabelt und berührten fast die Rolle,die gleichzeitig in den Gabeln lag.

Auf einem Zugseil waren in Entfernungen von ca. 135 Meter kleine Stahlmuffen befestigt.
Gelangte eine solche Muffe an die verschiebbare Gabel, so hob sie dieselbe ein wenig und glitt darunter hinweg, stieß gegen die feste Gabel und nahm den Wagen mit.
Die bewegliche Gabel wurde durch Federkraft geschlossen, so war der Wagen absolut sicher an das Zugseil gekuppelt.
Der Wagen hing mit seinen Laufrädern auf dem Tragseil, so daß sich das Gehänge auf der AUßenseite der Bahn befand und ungehindert die Unterstützungen passieren konnte.
Zum bequemen Füllen der Drahtseilbahnwagen befanden sich an der Ladestation am Max- bzw. am Philippstollen speziell angelegte Füllrümpfe, in welche der sortierte Toteisenstein abgestürzt wurde.
An der Mündung aller Rümpfe war ein sich vertikal bewegender Schieber zum Öffnen und Schließen angebracht.
Vor diesen Füllrümpfen befand sich die Weichenschiene, auf welcher die leeren Wagen bis vor die Rumpfmündung geführt wurden.
Durch einen Druck auf einer Seite derselben stehenden Gabel ging der Schieber nach unten, öffnete die Mündung und Roteisenstein füllte somit den Wagen.
Der Betrieb dieser Drahtseilbahn gestaltete sich nun in folgender Weise:

Ein Arbeiter schob den beladenen Wagen auf der Weiche weiter über die Zunge hinauf auf das Tragseil.
Die Entfernung des Zugseils unter dem Tragseil war an dieser Stelle, wo sich die Zunge an das Tragseil anschloß, so bemessen, daß das Zugseil gerade auf die Rolle des Kupplungsapparates zu liegen kam.
Nun wurde das drehbare Gehäuse der Kupplungsvorrichtung in seine vertikale STellung gedrückt, wo es durch einen Bolzen von selbst arretiert wurde und die nächste, mit dem Zugseil ankommende Muffe trat zwischen die Gabeln und nahm die Wagen mit.

An der Entladestation angekommen, drückte ein daselbst abgebrachter Andrücker auf eines am Gehäuse des Apparates befindlichen Bolzen.
Dieser bewirkte ein Umlegen des drehbaren Gehäuses und somit ein Freiwerden der Zugseilmuffe.
Der Wagen war nun vom Zugseil gelöst und blieb auf dem Tragseil kurz vor der Weiche bewegungslos hängen.
Ein Arbeiter führte nun den beladenen Wagen weiter über die Zunge hinweg auf die Weiche, an die zum Entladen bestimmte Stelle und löste die Sicherung am Kasten, kippte denselben und dessn Inhalt fiel über eine Schiene direkt in die unten stehenden Eisenbahnwaggons.
Die Leistungsfähigkeit dieser Drahtseilbahn berechnete sich folgendermaßen: Die Geschwindigkeit des Zugseiles, also auch der Wagen, betrug 1,5 Meter pro Sekunde.
Die kleinen Muffen auf dem Zugseil, welche die Wagen mitnahmen, befanden sich in Entfernungen von135Metern,so daß in je 90 Sekunden ein Wagen auf der Entladestation eintraf.
Pro Stunde waren dies 40 Wagen.Ein Wagenenthielt 200kg, so daß proStunde 40 x 200kg = 8000kg, bei einer Seilgeschwindigkeit von 1,5 Meter pro Sekunde transportiert werden konnten.

Zur Verständigung der Arbeiter an beiden Stationen war ein elektrisches Läutwerk angebracht, mit welchem die für den Betrieb nötigen Glockensignale gegeben werden konnten.

In einem Situationsplan der Grube “Briloner Eisenberg” vom 05. Februar 1880 heißt es:
“Der Briloner Eisenberg hat nach Vollendung der Bleichertschen Drahtseilbahn, welche den Transport der Erze zum Bahnhof Olsberg befördert, weiter den Betrieb fortgesetzt. Als Betriebsführer soll der Steiger Peter Schnell zu Olsberg fungieren.
Als Steiger und Förderungsaufseher, der Steiger Josef Birve.”
Die Leistungsfähigkeit dieser Transportanlage hatte zur Folge, daß die bisher beschäftigten Bergleute bzw. Sortierer des Eisensteines nicht ausreichten und es mußten Einstellungen vorgenommen werden.
Im Laufe der folgenden Jahre wurde jedoch der Betrieb am Eisenberg öfter eingestellt.

In einem Schreiben vom Repräsentanten Kisker vom 31. Oktober 1887, an den königlichen Bergmeister, Herrn Pöppinghausen in Arnsberg, geht hervor, daß die Drahtseilbahn seit dem 20. Oktober 1887 den Betrieb wieder eingestellt hat.
Ein weiteres Schreiben vom 18. November 1891 bestätigt den vollständigen Abriß dieser Anlage.

Der Eisensteinabbau ging jedoch weiter, aber nicht mehr in vollem Umfang, denn die Lagerstätten waren erschöpft.

Im Jahre 1916, am 15. Juli, wurde der Grubenbetrieb eingestellt.

Im nahen Forstenberge sollten neue Eisenerzvorkommen erschlossen werden.
Aber das wesentlich billigere Erz des Weltmarktes machte alle weiteren Vorhaben zunichte.DieseEisensteinlagerstätte “Briloner Eisenberg” hat in unserer Heimat wesentlich zur Industrialisierung beigetragen.
Die schwere, unermüdliche Arbeit unserer Bergleute bleibt unvergessen.

Glück Auf.
Hans Martin Köster

Datum des Beitrags
Das Datum dieses Ereignisses ist nicht exakt nachweisbar.
Exakt nachweisbar sind lediglich dessen Monat und Jahr.

Der Briloner Eisenberg

Der Maxstollen im Briloner Eisenberg

Der Philippstollen im Briloner Eisenberg

Bahnhof Olsberg

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Text: Hans Martin Köster und Christoph Köster
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