Kommentar: Das Luxusproblem – Bigger Geschichte unter dem Hammer

Die Diskussion, die Verwirrung und die Verärgerung um den möglichen Verkauf einer Teilfläche der St. Martinus-Grundschule an die Elisabeth-Klinik nimmt scheinbar kein Ende, wie am 01. September 2020 in der Westfalenpost unter dem Titel “Wilde Gerüchte um Klinik Bigge: Das sagt der Bürgermeister” zu lesen war.

Blick auf Bigge aus Richtung Buchhorst
Blick auf Bigge Anfang des 20. Jahrhunderts (nach 1916). In der Mitte des Bildes ist hinter den Gebäuden der Josefs-Gesellschaften die Volksschule (Kreis) zu sehen.

Auf der einen Seite stehen wirtschaftliche Interessen der Elisabeth-Klinik und der Stadt Olsberg – auf der anderen die Sorge vieler Bigger Bürger vor einem Betreuungs- und Bildungsengpass.

Abgesehen von den sachlichen Argumenten für und wider einen Verkauf erschien mir als bisher neutralem Beobachter und Olsberger Bürger die Angelegenheit wenig transparent. Dieser Eindruck bestätigte sich, als ich im oben genannten Zeitungsartikel las, dass selbst einige Olsberger Ratsmitglieder diesbezüglich offenbar auch nicht auf dem akuellen Stand waren.

Dem lokalpolitisch interessierten Olsberger Bürger bzw. bald auch wieder Wähler könnte sich hier der Verdacht aufdrängen, dass unangenehme Themen und Entscheidungen erst nach der Kommunalwahl am 13. September wieder auf den Tisch kommen sollen. Aber das ist nur die Vermutung eines ahnungslosen Beobachters.

An- und Umbau der Elisabethklinik in Bigge 1915
Bigge ca. 1915. An- und Umbau der Elisabethklinik.

Als historisch interessiertem Olsberger Bürger liegt mir jedoch ein ganz anderes Argument gegen einen Verkauf und Abriss der ehemaligen Bigger Volksschule (Baujahr 1916) am Herzen: Wieder soll ein historisches Gebäude in Olsberg wirtschaftlichen Interessen geopfert werden.

Ein Stück Geschichte der Stadt Olsberg – dieses Mal Bigge’s – soll wieder “unter den Hammer” – und unter die Abrissbirne kommen.

Blick auf Bigge vom Hagen (Ansichtskarte)
Blick vom Hagen auf Bigge Anfang des 20. Jahrhunderts (nach 1916). Links neben der Kirche ist die Volksschule zu sehen (Kreis).

Wenn man die letzten Jahrzehnte betrachtet, wurden in Olsberg viele Gebäude mit historischer Relevanz abgerissen. Zu nennen sind hier zum Beispiel das Haus “Blügel” oder das Haus “Winterberg” in der jüngsten Vergangenheit, und vor allem das Sanatorium Dr. August Grüne.

Ich persönlich glaube, dass sich Olsberg auf Dauer keinen Gefallen damit tut, sich seiner geschichtlich relevanten Gebäude und seines historischen Stadtbildes nach und nach zu entledigen.

Wirtschaft, Industrie, Bildung und Gesundheit sind vier Standbeine Olsbergs – Tourismus und Geschichte sind zwei weitere. Ich kann nur betonen, dass Olsberg – und damit meine ich das gesamte Olsberger Stadtgebiet – auf eine sehr lange und zumeist erfolgreiche Geschichte zurückblicken kann, welche im Übrigen gegenüber der Geschichte in vergleichbaren Städten sehr gut dokumentiert ist.

Blick auf Bigge vom Langer Berg
Blick vom Langer Berg auf Bigge Anfang des 20. Jahrhunderts (nach 1916). Die Pfarrkirche St. Martin, die Molkerei (später Sportheim), die Gebäude der Josefsgesellschaft und die Volksschule (Kreis) sind zu erkennen. Oben links im Bild sieht man den Ohlenkopf.

Als Betrachter mit geschichtlichem Interesse möchte ich folgendes zu bedenken geben: Einerseits beruft sich die Stadt Olsberg auf seine Geschichte, wie zum Beispiel das Sanatorium Dr. August Grüne und den damit verbundenen Titel “Kneipp-Heilbad” – andererseits wurden mittlerweile alle damit direkt verbundenen Gebäude und Relikte abgerissen.
Diese sind aber meiner Meinung nach nicht durch ein Schwimmbad mit Saunalandschaft, ein paar Becken aus Beton, bunte Kneipp-Figuren, Turngeräte in einem Park, einen Wanderweg mit Tretbecken und Hochglanz-Prospekte zu ersetzen – so schön und wohlgemeint diese auch sind!

Meiner Meinung nach würde Olsberg als Kneipp-Heilbad bedeutend besser da stehen und viel mehr “Gesundheits”-Touristen anlocken können, wenn das Flair und der Geist von Dr. August Grüne und Pfarrer Sebastian Kneipp noch zu sehen und zu spüren wären – und das wäre mit so manchem mittlerweile abgerissenen Gebäude möglich gewesen.

Den (historischen) Charme und die Geschichte Olsbergs kann man nur dann nutzen, wenn man versucht, beides zu erhalten – alles andere finde ich unehrlich.

Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: Ich finde meine Heimatstadt Olsberg nach wie vor sehr schön und die Renovierungsarbeiten der letzten Jahre größtenteils nicht unschön – aber mit Beton zieht man weder Touristen an, noch betont man den Charme und die Geschichte einer Stadt.

Anstalten der Josefs-Gesellschaften mit Molkerei in Bigge
Bigge zum Anfang des 20. Jahrhunderts (nach 1916). In der Mitte sind die Anstalten der Josefs-Gesellschaft, links unten die Molkerei (später Sportheim), rechts die Volksschule (Kreis) und im Hintergrund die Buchhorst zu sehen.

Wo in Olsberg kann man noch Charme und Geschichte sehen, spüren, oder sogar anfassen? Zumindest sind diese Orte in den letzten Jahrzehnten immer weniger geworden!

Daher sollte auch die alte Volksschule Bigge (be)stehen bleiben, denn auch sie gehört zur Geschichte Bigge’s und somit zur Geschichte der Stadt Olsberg.
Im Übrigen verstehe ich nicht, warum ein solches Gebäude nicht längst unter Denkmalschutz steht.

Hier einige Daten zur Geschichte der Bigger Volksschule:

  • Sie wurde 1916 gebaut.
  • So, wie große Teile der Josefs-Gesellschaft, diente sie im zweiten Weltkrieg als Lazarett, in dem auch Dr. August Grüne jun. (Sohn des Gründers der Kaltwasserheilanstalt Dr. August Grüne) in der Nachkriegszeit als Truppenarzt tätig war.
  • Durch den Artilleriebeschuss der von Olsberg, über Brilon und die Gierskopp aus kommenden Amerikaner wurde das Dach des Gebäudes 1945 durch einen Volltreffer zerstört.
  • Während der provisorischen Reparatur mussten einige Patienten für 14 Tage in das Sanatorium Dr. Grüne verlegt werden, welches zuvor am 01. Mai 1943 von der NSDAP beschlagnahmt und seitdem als Entbindungsheim der “Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt” genutzt worden war.
Bigge ca. 1916
Blick auf Bigge Anfang des 20. Jahrhunderts (nach 1916). Das Bild zeigt u.a. die Josefsgesellschaft mit Elisabethklinik, die Volksschule (Kreis), den Bahnhof und die Firma Kunz.

Wer auf den Zug der Geschichte aufspringen und im “Marketing-Abteil” sitzen möchte, der muss auch die Fahrkarte in Form von “Erhaltung” lösen!

Ja, die Stadt Olsberg hat auch bezüglich ihrer Geschichte ein “Luxusproblem“! Neben vielen weiteren positiven Eigenschaften haben wir Olsberger (Antfeld, Assinghausen, Bigge, Bruchhausen, Brunskappel, Elleringhausen, Elpe, Heinrichsdorf, Gevelinghausen, Helmeringhausen, Wiemeringhausen und Wulmeringhausen eingeschlossen) eine überaus interessante, spannende und aus Sicht der Stadt Olsberg “vermarktbare” Geschichte. Aber auf Dauer nur, wenn diese bewahrt, weitergegeben und vor allem nicht weiter abgerissen wird – bedauerlicherweise kommt dieser Appell für viele Gebäude und Relikte zu spät!

Ich hoffe, dass dies bezüglich des Verkaufs der “Bigger Volksschule” durch die verantwortlichen Politiker ebenfalls bedacht wurde – ich habe es allerdings bisher nicht wahrnehmen können, was aber auch an der Intransparenz des Verfahrens liegen kann.

Blick auf Bigge vom Losenberg
Bigge ca. 1955. Blick vom Losenberg. In der Mitte des Bildes ist die Volksschule (Kreis) zu sehen.

Zu hoffen ist weiterhin, dass sich der Heimatbund der Stadt Olsberg für den Erhalt der alten Bigger Volksschule einsetzen wird, da dieser ein historisches Interesse für den Erhalt von Historie und historischen Gebäuden auf dem Olsberger Stadtgebiet hat – und da dieses Gebäude unter anderem seine Heimatbücherei beherbergt.

Standort der ehemaligen Volksschule Bigge

Archiv-Karte
OpenStreetMap Viele Orte, die in unseren Beiträgen erwähnt werden, finden Sie auf unserer Archiv-Karte.

Leserbrief an die Westfalenpost

Der folgende Text wurde am 04. September 2020 als Leserbrief an die Westfalenpost gesendet.

Bigger Geschichte unter dem Hammer
(Zum WP-Artikel “Wilde Gerüchte um Klinik Bigge: Das sagt der Bürgermeister” vom 01.09.2020)

Nicht nur einige Ratsmitglieder sind durch die intransparente Informationspolitik zu dem Thema des Artikels irritiert, sondern auch ich als Olsberger Bürger.

Als historisch interessiertem Olsberger liegt mir jedoch noch
etwas ganz anderes am Herzen: Wieder soll ein historisches Gebäude in Olsberg “unter den Hammer” – und “unter die Abrissbirne” kommen!

Wenn man die letzten Jahrzehnte betrachtet, wurden in Olsberg viele Gebäude mit historischer Relevanz abgerissen. Zu nennen sind hier z.B. das Haus “Blüggel” oder das Haus “Winterberg” und vor allem das “Sanatorium Dr. Grüne”.

Ich persönlich glaube, dass sich Olsberg auf Dauer keinen Gefallen damit tut, sich seiner geschichtlich relevanten Gebäude und seines historischen Stadtbildes nach und nach zu entledigen.

Als Olsberger mit geschichtlichem Interesse möchte ich folgendes zu bedenken geben: Einerseits beruft sich die Stadt Olsberg auf seine Geschichte, wie z.B. das Sanatorium Dr. Grüne und den damit verbundenen Titel “Kneipp-Heilbad” – andererseits wurden mittlerweile fast alle damit direkt verbundenen Gebäude und Relikte abgerissen. Diese sind aber meiner Meinung nach nicht durch Beton und Hochglanzprospekte zu ersetzen – so schön und wohlgemeint diese auch sind!

Meiner Meinung nach würde Olsberg als Kneipp-Heilbad bedeutend besser da stehen und viel mehr (Gesundheits)-Touristen anlocken können, wenn z.B. das Flair und der “Geist” von Dr. August Grüne und Pfarrer Sebastian Kneipp noch zu spüren wären – und das wäre mit so manchem mittlerweile abgerissenen Gebäude möglich gewesen.

Den (historischen) Charme und die Geschichte Olsbergs kann man nur dann nutzen, wenn man versucht, beides zu erhalten – alles andere finde ich unehrlich.

Daher sollte auch die alte Volksschule Bigge (be)stehen bleiben, denn auch sie gehört zur Geschichte der Stadt Olsberg!

Wer auf den Zug der Geschichte aufspringen und im Marketing-Abteil sitzen will, der sollte auch die Fahrkarte in Form von Erhaltung lösen!

Geschichte ist nicht alles, aber Olsberg kann sie auch zukünftig gut gebrauchen und sollte gut über den Abriss der noch verbleibenden Zeugnisse nachdenken!

Glück Auf!

Christoph Köster
Privatarchiv Köster Olsberg
(christoph.koester@privatarchiv-koester.de)

Gesamter Beitrag mit historischen Bildern der Volksschule Bigge:

Kommentar: Das Luxusproblem – Bigger Geschichte unter dem Hammer


“Historisches Stadtbild in Olsberg erhalten”

Leserbrief (Westfalenpost, 16. September 2020). Autor: Christoph Köster

Leserbrief "Historisches Stadtbild in Olsberg erhalten"
Leserbrief “Historisches Stadtbild in Olsberg erhalten” (Westfalenpost, 16.09.2020). Autor: Christoph Köster

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