Kommentar: Tod am Eisenberg – Katastrophe oder Erlösung?

Wer in diesen Tagen durch den Briloner Eisenberg wandert oder spazieren geht, dem begegnet der Tod! Nicht leibhaftig oder persönlich, sondern in Form von abgestorbenen Fichten.

Tote Fichten am Eisenberg
Die toten Fichten am Briloner Eisenberg. Dieses Foto entstand am 18.09.2020. Fotograf: Christoph Köster

Spätestens jetzt hat der Klimawandel auch Olsberg und seine Umgebung erreicht – nicht nur durch hohe Temperaturen im Sommer und milde Temperaturen im Winter, sondern für alle anfass-, sicht- und erlebbar in Form von toten Fichten. Durch Trockenheit geschwächte Fichten sind offensichtlich ein „gefundenes Fressen“ für Borkenkäfer. Den toten Fichten wurde scheinbar regelrecht die Rinde abgeschält. Man läuft am Rothaarsteig über „Teppiche“ von Tannennadeln, welche von den sterbenden Bäumen abgeworfen wurden.

Nadelteppich von absterbenden Fichten
Auf dem Rothaarsteig zwischen Briloner Eisenberg und Borberg läuft der Wanderer teilweise über einen dichten Teppich aus Fichtennadeln, welche von absterbenden Bäumen heruntergefallen sind. Dieses Foto entstand am 18.09.2020. Fotograf: Christoph Köster

Man kann das nur bedauern und die Besitzer der Bäume bemitleiden. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass diese Katastrophe der nicht nachhaltigen Ausbeutung der Natur im Mittelalter entspringt.

Tote Fichten am Eisenberg
Die toten Fichten am Briloner Eisenberg (Römerweg). Dieses Foto entstand am 18.09.2020. Fotograf: Christoph Köster

Noch im frühen Mittelalter war der Wald des Hochsauerlandes dominiert von Rotbuchen und Niedergehölz, wie z.B. der europäischen Stechpalme (Ilex aquifolium) oder der europäischen Eibe (Taxus baccata). Der Wald bestand aus jahrhunderte alten, teilweise jahrtausende alten Symbiosen aus verschiedenen Pflanzen und Tieren.

Eisenberg Südhang
Der Südhang des Briloner Eisenbergs ist auf Briloner Seite entweder komplett abgeholzt, oder durch tote, noch zu fällende Fichten geprägt. Dieses Foto entstand am 18.09.2020. Fotograf: Christoph Köster

Im späten Mittelalter waren nahezu alle natürlichen Wälder des Hochsauerlandes der Holzkohlegewinnung durch Kohlenmeiler (für die Erzverhüttung), der Nutzung von Holz als Baustoff (Bau- und Grubenholz) und der Gewinnung von Wärmeenergie zum Opfer gefallen und für diese Zwecke abgeholzt worden.

Die Laubbäume stehen noch
Wo früher grüßtenteils Fichten und vereinzelt Laubbäume standen, stehen nun nur noch die Laubbäume. Dieses Foto entstand am 18.09.2020. Fotograf: Christoph Köster

So fand die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, welche zwischen 1802 und 1815 die Herrschaft über das Herzogtum Westfalen inne hatte, im Hochsauerland eine Heide- und Niedergehölz-Landschaft vor. Relikte der damals im Hochsauerland vorherrschenden Landschaftsform sind z.B. der Neue Hagen (Niedersfelder Hochheide) oder der Kahle Asten.

Holzstapel am Rothaarsteig
Die riesigen Holzstapel am Rothaarsteig zeugen von der enormen Anzahl an bereits gefällten toten Fichten. Dieses Foto entstand am 18.09.2020. Fotograf: Christoph Köster

Zur Rekultivierung des brachliegenden „Waldes“, welche dringend notwendig war, da Holz damals neben Stein das einzige Baumaterial und neben Kohle das einzige Brennmaterial war, forstete die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt die westfälischen Flächen mit einem relativ anspruchslosen und schnell wachsenden Gehölz wieder auf: Mit der Fichte, welche ursprünglich in kühlen, niederschalgsreichen Hochlagen z.B. im Harz und im Thüringer Wald (über 800m ü. NN) wuchs.

Die Olsberger Hütte - Engelbert Seibertz
Das Gemälde „Die Olsberger Hütte“ (Engelbert Seibertz) von 1832 zeigt unbewaldetes Gebiet im Umkreis der Olsberger Hütte und junge, maximal 30 Jahre alte Fichten auf dem Tannenköpfchen. Gemälde: Engelbert Seibertz (1813-1905)

Die Bevölkerung Westfalens und des Hochsauerlandes war diesbezüglich sehr skeptisch und nannte die Fichte teilweise noch im 20. Jahrhundert den „Hessenbaum“. Aber das schnelle Wachstum der Fichte und der daraus resultierende Profit überzeugte letztendlich auch Zweifler von der neuen Kultivierung.

Tote Fichten am Eisenberg
Die Nachmittagssonne scheint am 18.09.2020 durch tote Fichten am Eisenberg (Römerweg). Fotograf: Christoph Köster

Fichten-Monokulturen, welche heutzutage die Landschaft im Hochsauerland prägen, sind durchaus unnatürlich für diese Region. Man kann den überwiegenden Teil des Waldes im Hochsauerland mittlerweile leider nur noch als „Monokultur“ oder „Plantage“, aber nicht mehr als „Wald“ im natürlichen und historischen Sinne bezeichnen.

Tote Fichte am Kneipp-Wanderweg
Tote Fichte auf dem Kneipp-Wanderweg am Briloner Eisenberg. Dieses Foto entstand am 18.09.2020. Fotograf: Christoph Köster

Im Übrigen wurde durch die flächendeckende Anpflanzung der Fichten auch unsere Kultur und unsere Traditionen beeinflusst: Nutzten unsere Vorfahren im späten Mittelalter noch Stechpalmen (im damaligen Volksmund „Hülsen“ genannt) als Weihnachtsschmuck (so wie in Großbritannien heute noch üblich), so wurden diese nach und nach durch Weihnachtsbäume (Fichten) ersetzt, da die Stechpalmen in dichten, ganzjährig „grünen“ Fichtenplantagen nicht mehr gedeihen konnten und damit immer seltener wurden.

Stechpalme (Ilex aquifolium) am Hülsberg
Ein verschneiter Stechpalmen-Busch (Ilex aquifolium) zwischen Rotbuchen am Hülsberg. Diese Pflanze, auch „Hülse“ ganannt, gab dem Hülsberg bei Wiggeringhausen ursprünglich seinen Namen. Dieses Foto entstand am 12.03.2006. Fotograf: Hans Martin Köster

Die Germanen im Frühmittelalter (in dieser Region speziell die Sachsen) schmückten sich und ihre Häuser zum Fest der Wintersonnenwende, welches letztendlich später durch christliche Missionare und indirekt durch Karl den Großen in „Weihnachten“ umbenannt wurde, ebenfalls mit Stechpalmen, welche ihnen heilig waren.

Quellen
  • „Nach 200 Jahren Fichten im Sauerland – kommt das Ende einer Ära?“; LWL; Wilfried Stichmann; 27.09.2019
  • Wikipedia: „Neuer Hagen – Landschaftsbild und Geschichte“; Stand: September 2020
  • Wikipedia: „Heide (Landschaft) – Entstehung von Heidegebieten; Stand: September 2020“
  • „Stechpalme: Reserve für kalte Wintermonate“; SauerlandKurier; 15.01.1998

Der Briloner Eisenberg

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