Visionen
Vikar Franz Zengerling erlebt, wie Olsberg in den 1870er und 1880er Jahren zu einem Verkehrsknotenpunkt wird.
Der Bahnhof Olsberg ist seit der Eröffnung der Bahnstrecke „Bestwig – Warburg (Westf)“ am 06. Januar 1873 eine Station der oberen Ruhrtalbahn. Die Nebenstrecke „Nuttlar – Winterberg“ wird erst 1906 eröffnet, das Ruhrtal zwischen Olsberg und Winterberg ist also zunächst nicht an das Bahnnetz angeschlossen. Dadurch wird Olsberg zu einem zentralen Umschlagplatz für Waren und Rohstoffe, wie Holz, Erze und Schiefer an der oberen und mittleren Ruhr. Auch die Posthalterei Padberg in Olsberg ist ein wichtiger Knotenpunkt.
Vikar Zengerling hat Anfang der 1880er Jahre die Idee, dass Olsberg sich nicht nur als zentraler Verkehrs- und Umschlagsknotenpunkt, sondern auch als zentraler Knotenpunkt für die Krankenversorgung des Dorfes selbst und der umliegenden Dörfer eignet. Die nächsten Krankenhäuser sind damals in Brilon und in Meschede.
Am 24. Oktober 1883 schreibt er einen Brief an das General-Vikariat in Paderborn, in dem er seine Ideen konkretisiert. Er fragt hierin an, ob der Errichtung eines Krankenhauses unter der Leitung von barmherzigen Schwestern seitens der Kirche Bedenken entgegenstünden. Diese Frage begründet er damit, dass der weitaus größte Teil der Bevölkerung aus den Pfarreien Bigge und Assinghausen „… zur Klasse der Bergarbeiter gehört …„, welche in Ramsbeck, Wulmeringhausen und Olsberg beschäftigt seien.
Vor allem die Krankenversorgung dieser Bergarbeiter treibt ihn an, denn er schreibt weiter, dass kaum einer von ihnen ein Alter von über 40 Jahren erreiche. Dem Tode der Bergleute ginge gewöhnlich „… ein längeres Siechtum und langwierige schmerzvolle Krankheit voraus. …„. Allein Olsberg zähle 73 Bergarbeiterwitwen bei 1000 Einwohnern.
Des Weiteren käme es in den umliegenden Gruben häufig zu Unfällen mit schwer verletzten Arbeitern, deren Transporte nach Brilon oder Meschede „… in der Regel mit den größten Schwierigkeiten verknüpft sind. …„. Zudem seien die Krankenhäuser in Brilon und Meschede gewöhnlich überfüllt.
Die Antwort des General-Vikariats Paderborn zeigt Vikar Zengerling, dass seine Argumentation auf offene Ohren gestoßen ist!
Der Inhalt des Briefes vom 24.10.1883 von Vikar Zengerling an das General-Vikariat in Paderborn legt dar, dass Olsberg in den 1880er Jahren zu einem Verkehrs-Knotenpunkt geworden und dass der Bergbau in dieser Zeit eine wichtige Erwerbsquelle war. Er legt aber auch dar, dass die medizinische Versorgung in dieser Zeit keineswegs die weitgehend flächendeckende Struktur unserer Zeit hatte: Zu dieser Zeit gab es in Brilon das Krankenhaus „Maria Hilf“, in Meschede die „Ernestinische Krankenanstalt“, das spätere „St. Walburga Krankenhaus“. Dazwischen gab es nichts – bei den damaligen Verkehrsgegebenheiten waren diese Krankenhäuser für das Dorf Olsberg und die umliegenden Dörfer gerade bei Notfällen „unendlich“ weit entfernt.
Wunder
Offene Ohren sind aber nicht gleich eine offene Geldbörse. Die Zustimmung des General-Vikariats zu seiner Idee hat Vikar Zengerling in der Tasche – aber keine einzige Mark, um diese zu realisieren.
In der Festschrift „St. Josefs-Hospital Olsberg 1885-1935“ ist die Rede von seinem „… Talent zu betteln beim Anbau der Kapelle und bei der Beschaffung des Inventars …„. Was heute negativ klingt, ist durchaus positiv gemeint, denn auch von „… seiner Tatkraft und Energie und von seinem Temperament …“ ist dort bewundernd die Rede!
Ob es dem Charisma und der Überredungskunst des damals 40jährigen Franz Zengerling zu verdanken ist, oder ob die Idee von der damals 55jährigen Karoline Körling kommt, ist den überlieferten Dokumenten nicht zu entnehmen. Allerdings grenzt es für das Vorhaben des Vikars an ein Wunder: Karoline Körling, die Witwe von Joseph Körling, hat jedes ihrer acht Kinder verloren. Sie ist dazu bereit, ihr gesamtes Vermögen (ca. 10.000,- Mark) für den Bau eines Krankenhauses zu spenden. Ihre Bedingung ist, dass sie bis zu ihrem Lebensende in diesem Krankenhaus wohnen kann und versorgt wird. Vikar Zengerling berichtet dies wenige Wochen nach seinem ersten Brief an das General-Vikariat.
Als Frau Karoline Körling im Jahr 1883 gegenüber dem Vikar Zengerling ihre Absicht und Bereitschaft erklärt, ist der preußische Kulturkampf zwar weitestgehend beendet, seitens der preußischen Regierung und den ihr untergebenen Beamten vom zuständigen Amt Bigge herrscht jedoch immer noch Skepsis und Missgunst gegenüber der katholischen Kirche. Es ist fraglich, ob die Behörden eine Spende in derartiger Höhe und auch die Errichtung eines Krankenhauses auf kirchliche Initiative und unter kirchlicher Leitung gestatten wird.
Komplotte
Es ist nicht auszuschließen, dass der energische und zielstrebige Vikar auch hier Überzeugungsarbeit leistet, aber Freiherr Carl Hubert von Wendt auf Gut Gevelinghausen bietet für dieses Problem seine Hilfe an. Er ist als „weltliche“ Person jemand, der von der preußischen Regierung zumindest nicht direkt mit der Kirche in Verbindung gebracht wird.
Die Interessengemeinschaft „Krankenhaus Olsberg“, bestehend aus Vikar Zengerling, Karoline Körling und dem Freiherrn Carl Hubert von Wendt, ist geboren – und sie plant ein Komplott, um dem Argwohn der preußischen Regierung zu entgehen: Das Vermögen der Witwe Körling wird auf den Freiherrn von Wendt übertragen, welcher sich dazu verpflichtet, es nach dem Willen von Frau Körling zu verwenden – ihr Wille ist der Bau eines Krankenhauses in Olsberg.
Die Willensbekenntnisse beider Parteien werden durch einen Vertrag manifestiert. Freiherr von Wendt verpflichtet sich darin, „… den Ertrag der Grundstücke an Pacht und Miete oder falls er sie verkaufen sollte, den vollen Erlös für dieselben zum Besten eines in Olsberg zu errichtenden und unter Leitung von geistlichen Ordensschwestern zu stellenden Krankenhaus zu verwenden. …„.
Karoline Körling sichert sich in diesem Vertrag das Nießbrauchrecht des übertragenen Vermögens und im zukünftigen Krankenhaus ein „… möbliertes und frei zu heizendes Zimmer zu ihrem ausschließlichen Gebrauch, Kost und Verpflegung ….„. Des Weiteren verlangt sie vertraglich vom Freiherrn eine lebenslange Rente von 75,- Mark pro Jahr (im Jahr 2020 eine Kaufkraft von ca. 547,50 €) und eine standesgemäße Beerdigung.
Vikar Franz Zengerling, Karoline Körling und Freiherr Carl Hubert von Wendt sind durch diesen Vertrag und ihr Komplott gegen die preußische Regierung und deren Missgunst gegenüber der Kirche die Initiatoren des Olsberger Krankenhauses – des späteren St. Josefs-Hospitals Olsberg. Die diesbezügliche Rolle dieser drei Personen wird ca. 52 Jahre später in der Festschrift von 1935 voller Dankbarkeit hervorgehoben und betont.
- Sterberegister St. Nikolaus Olsberg 1911
- St. Josefs-Hospital Olsberg 1885-1935
- Die Obere Ruhrtalbahn und ihre Nebenstrecken 1990-2000
- Die Entstehung des St. Josefs-Hospitals Olsberg – Seine Geschichte im Wandel der Zeit
- Kaufkraftvergleiche historischer Geldbeträge; Deutscher Bundestag – Wirtschaftliche Dienste; Stand: Januar 2021
Damals (1883) der zukünftige Standort des Olsberger Krankenhauses
Standort des Krankenhauses „Maria Hilf“ in Brilon im Jahr 1883
Ernestinische Krankenanstalt in Meschede – später „St. Walburga Krankenhaus“
Medien: siehe Medienbeschriftungen
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